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Home News Gourmet Disfrutar: Ein Besuch im besten Restaurant der Welt
Restaurant
Kulinarik
Barcelona
Hinter einer bescheidenen Fassade sorgen die Köche Mateu Casañas, Oriol Castro und Eduard Xatruch im »Disfrutar« in Barcelona seit zehn Jahren für gastronomische Brillanz. Ihr Restaurant ist ebenso innovativ wie gemütlich. Derzeit liegt man auf Platz 1 der »50 Best«-Liste.
Argot Murelius,
20.11.2024
Ein Smiley-Gesicht prangt auf dem modernistischen Eingangstor, das hier, im »Disfrutar«, in ein Reich voller Überraschungen und Raffinesse einlädt. Die Gäste erwartet im Restaurant – derzeit auf Platz 1 der »50 Best«-Liste und damit eines der besten der Welt – ein neugiergetriebenes Menü, das auf der Liebe zu unverfälschten Produkten und auf Traditionen beruht. Wer einen Platz ergattern will, der braucht Geduld. Das Warten lohnt sich.
Beim Betreten der Welt des »Disfrutar« werden die Gäste durch ein Miró-farbenes Foyer direkt in die mit Ziegeln verkleidete, offene Küche geführt. Darin liegt ein Teil des Geheimnisses dieses Restaurants: Es gibt keine Geheimnisse. Eduard Xatruch, einer der drei Chefs, tritt vom Herd weg und begrüßt die Gäste freudig. Er möchte den Weinkeller und den Forschungs- und Entwicklungsbereich im Erdgeschoss präsentieren, der auch als privater Essbereich dient.
»Als wir eröffneten, hatten wir kein Geld. Wir dachten, wir würden vorne Tapas servieren und hinten ein komplettes Menü. Die untere Etage war als Bar geplant. Wir hatten Platz für 70 Gäste pro Abend und 30 Mitarbeiter. Aber das Konzept ist organisch gewachsen. Heute haben wir 45 Sitzplätze und 70 Angestellte«, erzählt er.
Im Vorraum des Kellers steht ein Stapel an Prototypen von Serviergefäßen, die zusammen mit dem hauseigenen Designer entworfen wurden. »Für so viele Gerichte braucht man spezielles Geschirr. Das kann man nicht kaufen«, erklärt er. »Wir entwickeln ständig neue Gerichte. Von 100 Ideen haben vielleicht drei Erfolg, manche brauchen Jahre. Wir arbeiten also an zehn auf einmal und wissen, dass sieben scheitern werden.« Entscheidend seien Kreativität und neue Techniken – vor allem aber müsse das Essen Spaß machen und schmecken. »Wir wollen Emotionen wecken«, sagt Xatruch, bevor er die Gäste zu einem kahlen Tisch in dem hellen Speisesaal führt.
Servietten gibt es keine. Die Leere wird schnell durch eine konzeptionelle Speisekarte mit dem Titel »What Lies Behind Our Food« gefüllt. Wie eine Mind-Map oder ein Rorschach-Test fordert sie die Gäste auf, Punkte zu verbinden – und wirft die Frage auf: Was sehe ich auf den ersten Blick? Ich sehe die Feinheiten einer gut durchdachten Küche.
Gemeinsame Geschichte
Mateu Casañas, Oriol Castro und Eduard Xatruch lernten sich bei ihrer Arbeit im »El Bulli« kennen, wo Albert und Ferran Adrià mit den schäumenden Fantasien der Molekularküche einst kulinarische Geschichte schrieben. Als diese legendäre Institution 2011 schloss, stand das Trio an der Spitze des kreativen Teams. Ein Jahr später eröffneten sie in Cadaquès das »Compartir« (spanisch für »teilen«) mit zeitgemäßen, teilbaren Interpretationen bekannter Klassiker. Aus dem sofortigen Erfolg ging das »Disfrutar« hervor, ein nicht minder geselliges Lokal, das die Innovation noch stärker in den Vordergrund rückte und mit Auszeichnungen überhäuft wurde. Der dritte Michelin-Stern kam in diesem Jahr.
Im Laufe eines Jahrzehnts haben die drei Pioniere einen schwindelerregenden Katalog ikonischer Gerichte zusammengestellt, von denen 30 im klassischen Menü zu finden sind. Den Beginn macht ein Gang namens »Pisco Sour«, ein gefrorenes Passionsfrucht-Biskuit mit einer erdenden Bitterkeit, die sich seltsamerweise gut mit dem hausgemachten Waldboden-Destillat verbindet. Sommelier Rodrigo Briseño gießt das Getränk in Messingkelche und fordert die Gäste auf, kräftig anzustoßen. Sie klingen wie buddhistische Gebetsschalen, die einen essbaren Ritus ankündigen. Der Mund füllt sich mit Kindheitserinnerungen an Waldspaziergänge.
Theatralisch Großzügig
Als Nächstes kommt das schleichend einfache »Flavor Concentration« – elf zarte Sprossen mit riesigen Aromen auf einem Bett aus Tomatengel, makellos unverfälscht, was zeigt, wie wichtig die Zutaten für diese Köche sind. Zarte Noten von Fenchel, Kartoffeln, frechem Rettich und beruhigendem Honig rütteln die Geschmacksnerven auf. Sie verweilen, bis die ikonische »Brioche Panchino« daherkommt wie ein korpulenter Clown, der mit Beluga-Kaviar gefüllt ist. Der Teig wird in eine runde Form geschöpft, mit Kaviar, Sauerrahm und noch mehr Teig belegt und nur wenige Sekunden lang gebraten, damit der Kaviar nicht gerinnt. Die beste Zirkusnummer, die man je gegessen hat. Dazu gibt es einen Schuss Wodka mit Trüffelgeschmack, der das Spektakel noch besser macht. Es folgen zwei weitere Gänge mit Kaviar, als ob sie die theatralische Großzügigkeit von »Disfrutar« bestätigen würden.
Es folgt »Solid Bubbles of Smoked Butter«, das von einer Lupe begleitet wird, so dass wir die hauchdünne Struktur der Butter bewundern können, die mit der gleichen Vorrichtung hergestellt wird, die auch Fischbecken mit Sauerstoff versorgt. Eine Sonde wird in flüssige Butter getaucht, wodurch Blasen entstehen, die blitzartig gefroren werden. Das knusprige Fett überzieht sofort meinen Gaumen mit cremiger Freude. »Amaranth Coral«, ein Gitter aus gebratenem Amaranth mit einer Auster, Codium-Emulsion und Fischrogen, wird in einer Schachtel mit optischen Täuschungen präsentiert. Man greift danach, ergreift aber nur Luft, bis der Kellner eine verspiegelte Trennwand entfernt. Gier und Ungeduld zahlen sich nie aus.
Irgendwann kommt die Kellnerin mit einer qualmenden Kiste mit Trockeneis und bittet, den Inhalt herauszufischen. »Seien Sie vorsichtig, es kann beißen oder springen«, warnt sie, während der Gast in den ätherischen Dunst nach »Fear: Prawn Catalan Style« greift, einem saftigen Krustentier, das man schälen und essen kann und das mit einer Garnelen- und Hühnerreduktion und einem Palo Cortado von Fernando de Castilla serviert wird. »Einer der aufregendsten Weine Andalusiens, so tief, dass man nur kleine Schlucke braucht«, so Briseño.
Kugelförmige Elemente sind ein wiederkehrendes Thema, vielleicht als Anspielung auf das »El Bulli«, wo die Köche die Methode, Flüssigkeit in weiche Kugeln zu formen, miterfunden haben – eine kulinarische Meisterleistung mit einem karnevalesken Mundgefühl, die als Kette von Pesto-Perlen mit gewürfeltem Aal und als Maiskolben auf einem Stück Gänseleber auftaucht.
Die Chefs haben über die Jahre einen schwindelerregenden Katalog ikonischer Gerichte zusammengetragen:
Käse aus der Mikrowelle
Xatruch, Castro und Casañas halten die Dinge mit einem kühnen Gerät avantgardistisch: der gewöhnlichen Mikrowelle, die sie für ihre Fähigkeit anpreisen, ölfreie Lebensmittel wie das Pre-Dessert »Assortment of Microwave Snacks« herzustellen. Dabei handelt es sich um einen neu interpretierten Käsegang und ein Quartett herzhafter Texturen, die mit einem Spiegel serviert werden: »So können Sie Ihren eigenen Gesichtsausdruck beim Essen beobachten«, erklärt der Kellner.
Jetzt ist man wirklich satt. »Nicht der richtige Zeitpunkt, um sich im Spiegel zu betrachten«, scherzt die Tischnachbarin, während man sich fragt, ob Xatruch die Emotionen der Gäste wohl aus einer entfernten Ecke der Küche beobachtet. Man mag gesättigt sein, aber man ist auch voller Ehrfurcht.

© Joan Valera
Eduard Xatruch, Oriol Castro und Mateu Casañas führen zusammen das »Disfrutar«. Ihre gemeinsame Geschichte begann schon früher – im berühmten »El Bulli«.
Disfrutar
Das Drei-Sterne-Lokal in Barcelona rangiert auf Platz 1 der »50 Best«, also der Liste der 50 besten Lokale der Welt - und ist Anziehungspunkt für Gourmets aus aller Welt.
Carrer de Villarroel, 163, L’Eixample, 08036 Barcelona
T: +34 933 48 68 96
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Argot Murelius
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